Winter - Transit - Lager Slavonsky Brod
Nach über 2300 km Stecke und insgesamt über 26 Stunden Fahrtzeit ist unsere Tour in´s Wintertransitcamp an die kroatisch-bosnischen Grenze zu Ende.
Die Durchführung der gesamten Aktion war nur möglich durch die unerwartet hohen Spenden, die Dolly gesammelt hat. Nicht zu erwähnen, dass eine türkische Familie aus Ludwigshafen alleine 400 Euro gespendet hat. Eine Super Aktion !
GANZ HERZLICHEN DANK.
Damit wir transparent bleiben, was die ganze Aktion betrifft, hier die Übersicht über alle Einnahmen und Ausgaben :
An Spendengeldern standen uns insgesamt 740 Euro zur Verfügung.
Die Ausgaben betragen im Einzelnen :
Benzinkosten : 168,76 Euro
MAUT Gebühren : 82,40 Euro
Essen und Lebensmittel : 40,75 Euro
Vignetten für Österreich und Slowenien : 25 Euro
Leicht nachzurechnen, verbleiben somit rund 420 Euro, die für weitere Projekte zur Verfügung stehen.
Das „Camp“ in Slavonski-Brod ist kein eigentliches Lager, sondern lediglich eine Durchgangsstation für Flüchtlinge zur Registrierung und Notversorgung.
Das Camp selbst wurde auf einem riesigen ehemaligen Erdöl-Lager mit direkter Bahnanbindung aufgebaut und besteht im wesentlichen aus
- der Bahnanlage
- der Registrierung
- der Versorgung mit Kleidung und speziellen Artikeln für Kleinkinder
- einem Sanitätsbereich für die Notfallversorgung
- Unterkünften für Helfer und Polizei
- Verwaltungscontainer
- Diverse Lagerzelte für Kleidung und Decken
Die Anlage selbst besteht erst seit September 2015 und ist die derzeit größte Durchgangsstation für Flüchtlinge auf der „ Balkanroute „
Nachdem wir in der Nacht von Sonntag auf Montag in der Unterkunft, einem angemieteten Privathaus etwa 7 km vom Camp entfernt, angekommen waren und etwas geschlafen hatten, sollte gleich morgens die Tour losgehen.
Auf unsere Frage nach dem Weg zum Weg zum Camp wurde uns grob eine Wegbeschreibung mitgegeben und die Aussage „ ihr müsst da anhalten, wo über 50 Polizeiwagen stehen, ist nicht zu übersehen „
Dank Navi im Auto haben wir das Camp auch problemlos gefunden und dank der Vielzahl an Poizeiwagen war auch der Eingang schnell erkannt.
Das Camp kann man ausschließlich durch einen Röntgenscanner betreten, persönliches Eigentum wird untersucht und danach wird man zur Registrierung gebracht. Ohne Ausweis mit Lichtbild ist kein Zugang zum Camp möglich.
Was auffällt, ist die große Anzahl an Polizisten, die sich an unterschiedlichen Stellen im Camp aufhalten.
Im Container der IHA, der Organisation unter deren Namen wir hier tätig werden sollten, wurden wir bereits erwartet.
Ein Rundgang durch das Camp zeigt dann die bedrückenden Ausmaße der Anlage.
Uns wurden unsere Arbeitsbereiche gezeigt und erklärt, wo man sich aufhalten darf und welche Bereiche unbedingt vermieden werden müssen.
Danach hieß es, warten auf den ersten Zug.
Die Züge mit den Flüchtlingen kommen in absolut unplanbaren und unregelmäßigen Zeiten an, teilweise auch unangekündigt und bringen 1000 bis 1600 Personen in´s Lager.
An machen Tagen werden bis zu 5 Züge abgefertigt.
Wir hatten uns gleich freiwillig für die Nachschicht bis zum nächsten Morgen, 06:00 Uhr gemeldet.
Aufgrund der Jahreszeit und dem Nebel, der das gesamte Camp einhüllt, entsteht dort nachts eine sehr surreale Situation.
Zu irgendeiner Zeit mitten in Nacht erhält man die Mitteilung, dass ein Zug in 20 Minuten eintrifft.
Ein großes Tor, das die Bahngleise absperrt wird geöffnet und eine Unmenge an Polizisten postiert sich am Bahngleis. Die ganze Anlage schimmert im dichten Nebel bei diffusem Licht und dann kommt irgendwann der Zug langsam ins Camp gefahren.
Treppenstufen aus Holz werden an den Türen postiert und dann steigen hunderte von Flüchtlingen, Männer, Frauen und Kinder aus.
Die Kinder schreien teilweise, sind verstört und die offensichtlich überforderten Eltern reagieren teilnahmslos.
In einer nicht enden Schlange werden die Menschen zur Registrierung gebracht. Was dort genau passiert, bleibt verborgen, da das Betreten dieser Bereiche streng verborgen ist.
Nach der Registrierung werden die Flüchtlinge dann in unseren Bereich, ein riesiges Zelt, gebracht, wo sie mit warmen Kleidern, Schuhen und Strümpfen versorgt werden.
Bereits am Zelteingang ist eine Abteilung von UNICEF und SAFE-THE-CHILDREN aufgebaut, die sich speziell um Kleinkinder kümmert.
Dort wird Babynahrung und spezielle Kleidung für Babys ausgeteilt.
Sofort nach der Versorgung müssen die Menschen das Zelt verlassen, dafür sorgen dann laut schreiende Polizisten, die sich bewaffnet und mit Schlagstöcken ausgerüstet, im Zelt postiert haben.
Während dem ganzen Vorgang wird ein leerer Zug in´s Camp gefahren und die Flüchtlinge werden direkt vom Versorgungsbereich zurück zum leeren Zug gebracht.
Dort müssen Sie zügig einsteigen und irgendwann fährt der Zug unter Polizeibewachung langsam wieder aus dem Camp in Richtung Slowenien ab.
Der Strom der Menschen, der sich durch das Versorgungszelt schlängelt, ist erschreckend, Draußen herrschen Temperaturen um den Gefrierpunkt und es kommen Einzelne mit dünnen Sommerjacken, Schuhen ohne Sohlen, teilweise ohne Stümpfe, müde und hilflos.
Kleine Kinder, die laut schreien und total verängstigt sind.
Die Dankbarkeit in den Augen der Kinder, wenn man ihnen wortlos ein kleines Spielzeug in die Hände drückt ist ergreifend. Alte, müde und traurige Menschen, die warme Pullover und Jacken bekommen, bedanken sich wortlos mit einem Blick, der sehr nahe geht.
Es dauert bis zu 3 Stunden, bis alle versorgt sind und das Zelt wieder leer ist, zurück bleiben Helfer mit gespaltenen Gefühlen, jedoch ohne Zeit, groß über die vergangenen Stunden nachzudenken.
In den gelagerten Kleidungsstücken befinden sich große Lücken, die vor Eintreffen des nächsten Zuges wieder aufgefüllt werden müssen,
es sind Unmengen von Gegenständen verteilt worden.
Vom Zentrallager, einem großen Zelt, in dem Umzugskartons in Regalen bis zur Decke gestapelt sind, befinden sich sortiert alle Arten von Kleidern, Schuhen und wichtigen Gebrauchsgegenständen.
Diese müssen nun schnellstmöglich wieder zum Versorgungszelt gebracht werden, der nächste Zug kann auch ohne Ankündigung plötzlich im Camp eintreffen.
Die Eindrücke des letzten Transportes sind meist noch nicht richtig verarbeitet bis zum Eintreffen des nächsten Stromes von hilfsbedürftigen Menschen.
Großartigen Leerlauf gibt es nicht denn das Sortieren der Kleidung und die Logistik zum Versorgungszelt ist enorm zeitaufwändig, zumal die Angaben auf den Kartons nicht immer eindeutig oder korrekt sind.
Zwischendurch trifft man sich hin und wieder im IHA-Container, wenigstens einen heißen Kaffee oder Tee zu trinken.
Es kann vorkommen, dass nach dem Eintreffen eines Flüchtlingszuges keine direkte Weiterreise möglich ist, dann werden die Menschen für mehrere Stunden in streng abgeschottete Großzelte, sogenannte Sektoren, gebracht und müssen dort auf Ihre Weiterfahrt warten.
Leider ist dies ein Zustand, der äußerst schlimm ist, da im gesamten Camp keine Möglichkeit besteht, die Vielzahl an Menschen mit Nahrung zu versorgen. Es kann nicht einmal eine Suppe oder ein Notration gereicht werden, da entsprechende Anlagen nicht vorhanden sind.
Die Tatsache, dass pro Tag etwa 5000-6000 Menschen durch das Camp geschleust werden, zeigt leider, dass der erwartete Rückgang von Flüchtlingen nicht zutrifft.
Es sind Menschen, die Ihre Heimat in absoluter Ungewissheit auf das Ziel verlassen haben, die verzweifelt und dennoch unendlich dankbar für jede noch so kleine Geste der Hilfsbereitschaft sind.
Die komplette Arbeit im Camp wird von freiwilligen Helfern geleistet, die im Namen von DRK, UNICEV, UNHCR, IHA und diversen Kleinorganisation dort tätig sind und versuchen, das Elend halbwegs erträglich zu machen.
Es gab zu Anfang der Gründung des Camps extreme Übergriffe von Polizisten gegen Flüchtlinge, Gewaltausbrüche und Demütigungen.
Nach dem Eintreffen der Hilfsorganisationen hat sich vieles Verbessert, da die Verantwortlichen maßgeblichen Einfluss auf den Camp-Alltag nehmen und diverse Mißstände öffentlich gemacht haben.
Für die nächste Zeit werden weitere Helfer benötigt, Helfer die sich freiwillig entscheiden, aktiv mitzuwirken und vorhandene Mißstände
zu verändern, verängstigten Menschen, die Ihr gesamtes bisheriges Leben aufgegeben haben, die unsere Sprachen nicht verstehen und vor dem Nichts Ihrer Existenz stehen, einen neuen Weg zu zeigen, sie zu begleiten und zu sagen „ HERZLICH WILLKOMMEN "
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